Hoimar von Ditfurth - Die Webseite

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Hoimar von Ditfurth hat sein ganzes wissenschaftliches Leben lang versucht, für sich selbst das Geheimnis unserer Existenz, unsere Stellung im Ganzen der Natur, das Selbstverständnis des Menschen zu begreifen, und er hat sein zweites Leben damit verbracht, für andere begreifbar zu machen, wo Antworten zu erwarten sind.

[E. P. Fischer im Vorwort zum Buch Das Erbe des Neandertalers]

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Der folgende Nachruf stammt aus DER SPIEGEL Nr. 45, vom 6. November 1989, Seite 330.


Hohlwangig, schwer atmend und von einer Halskrause umschlossen, jonglierte der Todkranke zum letztenmal mit den Bausteinen seines Denkgebäudes: Was ist der Sinn der Schöpfung? Welchem Plan folgt sie? Das war vor sechs Wochen im "Bücherjournal" der ARD.
In seinen Schriften, allesamt Bestseller, entwarf Hoimar v. Ditfurth apokalyptische Visionen und sezierte kühl das Ende der Menschheit - ausgelöst durch Überbevölkerung, Rüstungswahn und Naturzerstörung. So laßt uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen, überschrieb er eines seiner Bücher. Es ist soweit.
"Mit ein bißchen Magie, in der Haltung des Kosmikers", so sah ihn Walter Jens. Auch der Trost, den Ditfurth versprach, war nicht von dieser Welt: Die Verbrechen der Menschen an der Natur - aus der Perspektive der Ewigkeit gesehen, schienen sie ihm nur als Mehltau, den der Prozeß der Evolution wieder hinwegfegen werde. "Wir kriegen die Natur nicht kaputt." Nach dem Tod der Zivilisation würde sie sich "in 500 Jahren regenerieren".
Ditfurth - der große Kompilator, manchen ein "terrible simplificateur", der alle Sparten der Naturwissenschaft zusammenraffte und spannend aufzubereiten vermochte. Fachidioten waren ihm ein Greuel. 1968 kündigte er seinen Job als Industrie-Manager beim Pharma-Konzern Boehringer Mannheim, aus Angst, "menschlich kaputtzugehen".
Einem breiteren Publikum erschloß sich seine Gabe, schwierige Sachverhalte griffig darzustellen, über das ZDF-Wissenschaftsmagazin Querschnitte. In 75 Sendungen ließ der bärtige TV-Professor tiefgefrorene Frösche zum Leben erwecken oder erklärte die neuesten Ergebnisse der Hirnforschung anhand von überdimensionalen Pappmaché-Modellen.
"Voodoozauber und Schamanenfirlefanz" waren dem Öko-Aufklärer und Pazifisten zuwider. Er spießte den Löffelbieger Uri Geller auf, demontierte das geblähte Charisma von Astrologen, entlarvte asiatische Wunderheiler und zertrat den astralen Thesenwust seines Trivial-Konkurrenten Däniken. 1983, nach 13 TV-Jahren, war sein "Jagdhundeifer", wie er sagte, erlahmt. Der geniale Moderator quittierte den Dienst.
Die Faszination der Querschnitte (bis zu zehn Millionen Zuschauer) lag nicht zuletzt in der Fähigkeit Ditfurths, dem Publikum eine Ahnung von dessen Ahnungslosigkeit zu vermitteln. Er präsentierte die Schöpfung nicht als Wundertüte mit Knowhow-Effekten, sondern als Garten der Abenteuer und "ungeheures Geheimnis". Wenn er in Lichtjahren dachte, im Studio die Kosmogenese durchschritt, beschlichen den Zuschauer Staunen und Ehrfurcht.
In seinen Büchern wurde das didaktische Anliegen zusehends von pessimistischen Tönen durchzogen. Weltuntergang dräute, verursacht durch das menschliche Stammhirn, das dem Gelehrten als "Neandertaler"-Erbe unterm Schädeldach galt.
Nicht als Krone der Schöpfung sah er den Homo sapiens, sondern eher als Baustelle, als "Wesen des Übergangs", aber auch als Störfaktor, der die lückenlose Kette des Werdens vom Urknall über den primitiven Einzeller bis hin zu sich selbst zu zerreißen drohe.
Ditfurths leidenschaftslos vorgetragener Abgesang war nicht Fatalismus, sondern das bewußte Einsetzen der Angst als Erkenntnismittel. Über 20 Jahre lang kämpfte der gebürtige Berliner gegen den "anthropozentrischen Irrsinn", entfachte Diskussionen über Welthungerhilfe und Wachstumswahn. Anfang der achtziger Jahre engagierte er sich in der Nachrüstungsdebatte und zog für die Grünen in den Wahlkampf.
In seinem letzten Werk Innenansichten eines Artgenossen, einer meisterhaften Verbindung von persönlicher Lebensgeschichte und der Geschichte des Universums, das drei Monate vor seinem Tod erschien, wurde der Sinn der düsteren Prognosen ihrem ethischen Anliegen deutlich. Einzig mit dem Gebot der Bergpredigt, so die Hoffnung des schon schwerkranken Autors, ließe sich der aus den Fugen geratene Planet noch ordnen, aber "viel Zeit bleibt uns nicht mehr".
Letzten Mittwoch starb Ditfurth 68jährig in einer Freiburger Klinik an Lungenkrebs.
 

Anmerkung [hb]Hoimar von Ditfurth starb nicht, wie irrtümlich hier im SPIEGEL (und gelegentlich auch in anderen Biografien) berichtet wurde, an Lungenkrebs, sondern an einem Thymom (Krebs der Thymusdrüse).

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Titelbild SPIEGEL 45/89 - (c) Spiegel Verlag

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