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Der folgende Artikel ist in der Fernsehzeitschrift Hörzu
Nr. 24, vom 10. Juni 1972 auf den Seiten 38 und 40 anläßlich der Querschnitte-Sendung Was ist Leben? erschienen. Der Text stammt von
Petra Burghardt (Fotos: Bertelsmann, dva) und wurde ebenso wie die Bilder vollständig und unverändert übernommen und lediglich dem Layout der Webseite angepaßt. |
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Der kleine Mensch macht sehr viel durch |
Alles über den Ursprung des Lebens erzählt Hoimar von Ditfurth in seiner neuen Querschnitte-Sendung |
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75 mm lang ist das Menschlein am Ende des 3. Monats. Es ist kein Embryo mehr, sondern ein Fetus. Die Hauptstadien der Entwicklung
des Lebens hat es schon hinter sich |
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Vor rund fünf Millionen Jahren entließ die Natur das entwicklungsgeschichtliche
Meisterstück aus ihrem Wunder-Laboratorium: den Menschen. Und noch heute demonstriert sie an ihm, wie ihr dieser große Coup gelang. In den neun Monaten vor seiner Geburt, während seiner embryonalen Wachstumsphasen durchstreift
der Mensch noch einmal die wichtigsten Stationen seiner Ur-Herkunft. Er hat Kiemen und Schwimmblasen wie die Fische, er trägt ein drittes Auge wie die Eidechsen, und er hat ein Fell.
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Im fünften Lebensmonat trägt das Kind im Mutterleib noch ein Fell: die Lanugo-Behaarung. Bis zur Geburt wird sie völlig abgestoßen.
Kinder, die als Kahlköpfe zur Welt kommen, haben sich ganz normal entwickelt |
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"Der Mensch kommt wie alle anderen Lebewesen aus dem Wasser", erklärt Professor Hoimar von Ditfurth, der sich mit seiner neuen 'Querschnitte'-Sendung
mit der Frage 'Was ist Leben?' beschäftigt. "Und er wird erst während seiner embryonalen Entwicklung zum Landwesen umgebaut."
Damit wiederholt das Ungeborene, was sich vor Millionen von Jahren schon einmal in gigantischem Ausmaß abspielte: den Sprung an Land. Mit der Anpassung der
Lebewesen an das neue Element gelang der Natur ein entscheidender Schritt auf der wundersamen Stufenleiter der Evolution. Sie mußte dazu das Konstruktionsprinzip der Wasserbewohner für die an Land Lebenden übernehmen,
aber den neuen Bedingungen anpassen: Die Kiemen verknöcherten zu Gehörgang und Unterkiefer. Die Schwimmblase wurde zur Lunge.
Im zweiten Monat hat der Embryo noch Kiemenbögen und Schwimmblase. Außerdem aber schleppt er für ein paar Wochen noch weitere Attribute seiner Herkunft aus dem Urelement Wasser
mit sich: Er hat Schwimmhäute an Händen und Füßen und seitlich liegende Augen. Für die Fische haben die Seiten-Augen mit dem gewaltigen Blickfeld eine fundamentale Bedeutung: Sie sind eine Art Rund-um-Warnsystem.
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Drei Stadien des Fetus auf dem Weg vom 'Fisch' zum Menschen: Ursprünglich hat er Seiten-Augen. Gegen Ende des 3. Monats wandern sie
langsam zur Mitte. Der kleine Mensch hat sein fremdartiges Aussehen bis dahin vollkommen abgelegt |
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Beim menschlichen Embryo wandern diese Seiten-Augen Ende des dritten Monats nach vorn - die Blickfelder überschneiden sich, ermöglichen das plastische Sehen
und damit erst den Gebrauch der Hände.
Prof. von Ditfurth: "Das alles bedeutet nicht, daß wir bis zum zweiten Monat Molche sind. Die Gen-Kommandos steuern von Anfang an auf das Endziel Mensch
- wenn auch auf Umwegen."
Auch die nächste Stufe, die Entwicklung zum Warmblüter, muß der Mensch vor seiner Geburt noch einmal wiederholen. Er schafft
es übrigens nicht immer rechtzeitig. Siebenmonatskinder zum Beispiel haben die automatische Temperaturregelung noch nicht gelernt. Deshalb verschwinden sie sofort nach der Geburt im
Brutkasten, um die versäumte Lektion nachholen zu können.
Vor mehr als drei Milliarden Jahren entstand Leben auf der Erde. Vor 400 Millionen Jahren zogen die ersten Lebewesen aus dem
Wasser auf das trockene Land. Und bis vor 180 Millionen Jahren gab es dort nur Kaltblüter: Echsen und Saurier, deren Körper lediglich von außen, durch Sonnenstrahlen, erwärmt und damit
'lebensfähig' wurden, fielen bei Sonnenuntergang in eine allnächtliche Bewußtlosigkeit. Von Ditfurth: "Die Riesensaurier müssen da nachts herumgestanden haben wie die Bagger."
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Auch an der Entwicklung der Hände läßt sich demonstrieren, daß das Kind im Mutterleib die Jahrmillionen, die das Leben auf der Erde
benötigte, um bis zum Menschen auszureifen, in kurzer Zeit durcheilt. Der Embryo (links) hat noch Schwimmhäute zwischen den kaum ausgebildeten Fingern. Aber im zweiten Monat schon erkennt man deutlich die Menschenhand |
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Zu Füßen dieser erstarrten Giganten aber begann es in der Finsternis plötzlich zu krabbeln und zu wieseln. Die ersten Warmblüter waren da; Lebewesen, die unabhängig von
der Außentemperatur ihren Wärmehaushalt regulieren konnten und denen zur Erleichterung aus Fisch- und Echsenschuppen ein wärmendes Fell oder Gefieder gewachsen war.
Der 'nackte Affe' Mensch trägt so ein Fell noch heute: vom dritten Monat bis zur Geburt. Ditfurth: "Wenn Babys mit viel Haar geboren werden, ist das immer ein
Zeichen von Unreife. Das Fell soll vor der Geburt abgestoßen sein."
Wenn ein Baby nach neunmonatigem Gewaltmarsch durch Jahrmillionen von Entwicklungsgeschichte zur Welt kommt, ist noch ein Punkt offen:
Das Menschlein hat noch sein 'drittes Auge', die Fontanelle. Durch diese Schädelöffnung unter einer zarten Membrane registrieren Kaltblüter wie die Eidechsen den Sonnenstand. Wird der
Einfallswinkel der Strahlen spitzer, so wissen sie, daß die Nacht naht, und verkriechen sich für zwölf Stunden.
Prof. von Ditfurth: "Der Mensch macht ein paar Monate nach seiner Geburt die Klappe zu und ist selbständig." |
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